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Neue Regierungen in Bund und Land: Diese Themen müssen angegangen werden

Leitartikel Haus & Grund Nr. 4/Juli-August 2019:

Die Vorarlberger Eigentümervereinigung (VEV) wird nicht müde darauf aufmerksam zu machen, dass das österreichische Mietrechtsgesetz (MRG) zu restriktiv und komplex ist. Das aktuelle MRG fördert den Leerstand von Immobilien und verhindert eine gesunde Entwicklung des Wohnungsmarktes. Die Ergebnisse der 2018 veröffentlichen Leerstandsstudie unterstreichen dies: 47 Prozent der befragten Wohnungseigentümer gaben dort als Grund für die Nichtvermietung das komplizierte Mietrecht an. 46 Prozent vermieten nicht aus der Befürchtung heraus, die Mieter nicht mehr rauszukriegen. Auch das sieht die VEV als einen Punkt, der mit einer Adaptierung des MRG gelöst werden – und somit rasch zu mehr verfügbarem Wohnraum führen könnte. Denn 85 Prozent der Befragten würden unter geänderten Rahmenbedingungen gerne vermieten.

Passendes Mietrecht
Eines der größten Probleme: Das stark auf die Bundeshauptstadt Wien zugeschnittene Wohn- und Mietrecht, wie VEV-Präsident RA Dr. Markus Hagen betont. Die Wohnungsmärkte unterscheiden sich in ihren Eigenheiten laut Hagen von Bundesland zu Bundesland. Was für Wien passend sei, könne für das Burgenland oder Vorarlberg eine Erschwernis darstellen. Genau diese Besonderheiten und Bedürfnisse der Wohnungsmärkte in den Bundesländern – außerhalb der Hauptstadt – würden seit Jahrzehnten vernachlässigt und können als Faktoren für den Leerstand gesehen werden. Anders formuliert: In Wien sind rund 60 Prozent der Wohnungen Mietwohnungen und nur 40 Prozent Eigentumswohnungen. In Vorarlberg ist das Verhältnis umgedreht. In Wien dominierten die „Zinshauseigentümer“, in Vorarlberg besäßen viele Vermieter nur eine Wohnung. Dass es bei diesen unterschiedlichen Märkten den Bundesgesetzgebern nicht gelingen könne, ein zufriedenstellendes Gesetz für alle Bundesländer zu entwerfen, liegt für Hagen auf der Hand. „Es sollte den Ländern freistehen, das ausformulierte Bundesgesetz zu übernehmen oder Teile davon an die Anforderungen des regionalen Marktes anzupassen.“

Konkrete Forderungen
Das Vertrauen in das MRG müsse wiederhergestellt werden. Bisher sei eine partnerschaftliche Balance zwischen Mieter und Vermieter nicht möglich. Dies könne aber durch folgende Änderung im MRG erreicht werden.

• Unbedachte Formfehler in der Befristung dürfen nicht mehr zu unwiederbringlich unbefristeten, kündigungsgeschützten Mietverträgen führen.
• Verlängerung nach Mietvertragsende muss flexibler werden.
• Faire und durchsetzbare Befristungsregeln für Vermieter und Mieter.
• Abschaffung des Befristungsabschlags.
• Zeitgemäße Anpassung des Betriebskosten-Katalogs.
• Verbesserung der Durchsetzbarkeit der Kündigungsmöglichkeiten.
• Beschleunigung von Räumungsverfahren.
• Abschaffung des Mieterschutzes für gewerbliche Mieter.

Würden diese Forderungen umgesetzt und das MRG dementsprechend angepasst, könnten sich Mieter und Vermieter wieder auf Augenhöhe begegnen, meint Hagen. Die Angst des Eigentümers vor der Vermietung könnte dadurch enorm reduziert werden. Zudem würden diese Anpassungen das MRG für die Besonderheiten des Vorarlberger Wohnungsmarktes rüsten.

Der „kleine Vermieter“
Hagen ist überzeugt: „Die Einführung des ,kleinen Vermieters´ ist unbedingt notwendig, um den realen Bedürfnissen und Gegebenheiten auf den Wohnungsmärkten in den Bundesländern gerecht zu werden.“ Unter dem „kleinen Vermieter“ versteht Hagen einen Eigentümer, der bis zu fünf vermietete Objekte sein Eigen nennt. Der „kleine Vermieter“ ist in der Regel rechtlich nicht versiert, mit dem MRG und dessen Folgen überfordert und hat eine starken Nahebezug zum Mietobjekt. Ein möglicher Eigenbedarf in der Zukunft, entweder für die Nachkommen oder als Alterswohnsitz, ist für ihn von großer Bedeutung. Die Angst die Wohnung für den wahrscheinlichen Eigenbedarf zu verlieren, hält ihn häufig von der Vermietung ab. Hier fordert die VEV neben der Einführung des „kleinen Vermieters“ die rechtliche Gleichstellung mit dem Mieter. Die „kleine Vermietung“ sollte deshalb zur Gänze in das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) verwiesen werden.

Totes Recht wiederbeleben
Doch inwiefern würden „kleiner Vermieter“ und „kleine Vermietung“ den Wohnungsmarkt positiv beeinflussen? Hagen erklärt dies so: „Wenn kleinste Form- und Befristungsfehler nicht mehr sofort zum unbefristeten Kündigungsschutz führen und die Eigenbedarfskündigung, die zur Zeit nur als totes Recht bezeichnet werden kann, fair und real durchsetzbar ist, dann sind die Angst-faktoren, die viele Eigentümer vor einer Vermietung abschrecken, beseitigt.“ Diese Maßnahme könnte zu einer relevanten Steigerung der Vermietungsbereitschaft führen und somit den Wohnungsmarkt entlasten.

Verfahren beschleunigen
Eine weitere Forderung der VEV liegt in der Beschleunigung von Räumungsverfahren. Aktuell können sich Verfahren, auch wenn der Mieter keine Einwände gegen die Räumung erhoben hat und Kündigungsgrund sowie Räumungspflicht nicht bestritten wurden, über Monate teilweise Jahre hinausziehen. Eine unnötig lange Verfahrensdauer schadet Mieter und Vermieter: Miet- und Betriebskostenrückstände steigen – der Mieter kann leicht zum Schuldenfall werden, dem Vermieter entsteht ein hoher finanzieller Schaden. Die Lösung sieht die VEV in einer verkürzten Verfahrenseinleitung, ähnlich dem bestehenden Kündigungsverfahren.

Der Vermieter könnte dann mit der Mahnklage für den Mietzins ein Räumungsgesuch verbinden. Wird innerhalb von vier Wochen kein Einspruch erhoben, könnte ein Räumungstitel ergehen.

Agenturen einführen
Mit „Sicher Vermieten“ hat Vorarlberg einen ersten Schritt zu einer Landesagentur gemacht. Die VEV fordert zur Leerstandsmobilisierung zudem Agenturen auf Landes- und Bundesebene. Besitzer stellen ihre Wohnungen zur Verfügung. Land und Bund garantieren den Mietzins und auch den Ersatz sonstiger Schäden. Sozusagen eine „Win-Win-Win-Situation“, meint Hagen.