Moralisches Dilemma
Es steht außer Zweifel: Der Gesetzgeber hat im Rahmen der Covid-19-Anlassgesetzgebung nicht sauber gearbeitet. (Große) Teile der Gesetzgebung waren verfassungswidrig. Die rechtliche Faktenlage ist also klar. Weniger klar ist allerdings, wie damit umzugehen – gesellt sich doch zum rechtlichen noch der moralische Aspekt hinzu. Denn: Natürlich widerspricht es dem Solidaritätsgedanken, in Zeiten der größten Gesundheits- und Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten, in der es mehr denn je wichtig ist, zusammenzustehen, Schadenersatz vom Staat zu verlangen. Es ist und wird eine Herkulesaufgabe für die Regierungsverantwortlichen, die Hilfe für die Bevölkerung so breit aufzustellen, dass auch wirklich all jene Unterstützung erfahren, die in dieser schwierigen Zeit dringend welche benötigen. Nicht minder schwierig wird es in den darauffolgenden Jahren und Jahrzehnten, das entstandene Budgetloch wieder zu schließen. In Anbetracht dieser Rahmenbedingungen scheint es nicht opportun, auch noch Schadenersatz zu fordern – nur weil der Staat in der Kürze der Zeit einen Fehler gemacht hat.
Andererseits ist es aus Sicht von Vermietern nicht unbegründet, genauer hinzusehen. Denn: Die Vermieter sind zu einem Großteil um staatliche Hilfen umgefallen. Oder aber, es wurden Förderungen nur insofern zugesagt, als dass sich der Mieter zunächst durch Mietzinsminderung gemäß § 1104 f ABGB sich beim Vermieter schadlos halten muss. Das heißt: Erst, wenn vom Vermieter nichts zu holen ist, greift die Förderung. Im Umkehrschluss bedeutet das: Die Vermieter sollen de facto Staatshilfe leisten. Das ist ein gravierender Eingriff in die Eigentumsrechte. Wenn sich dann noch herausstellt, dass die Betretungsverbote, die dadurch verursachten wirtschaftlichen Schäden und die damit zusammenhängenden Mietzinsminderungen letztlich auf einem rechtswidrigen Staatsakt beruhen, kann man es niemandem vorwerfen, mit dem Gedanken zu spielen, Entschädigung einzufordern.