Die Leerstandsabgabe: Kein adäquates Mittel
Leitartikel Haus & Grund Nr. 3/Mai-Juni 2024:
Die Leerstandsabgabe
Es ist im politischen Zirkus nicht ungewöhnlich, dass sich Positionen verändern. Langsam sollte sich der Wähler daran gewöhnt haben: Die Politik hält nicht, was sie verspricht. So auch bei der Leerstandsabgabe. 2015 hieß es von Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) auf den Vorschlag der Grünen, dass dies sicher nicht kommen würde. In der Befragung der Wohnbausprecher der im Landtag vertretenen Parteien zur Leerstandsabgabe (Haus & Grund, Ausgabe 03/22) hatte sich die Haltung der ÖVP schon relativiert. Damals erklärte ÖVP-Wohnbausprecher Harald Witwer: „Wir begrüßen die Schaffung von Wohneigentum ausdrücklich. Auch deshalb ist es wichtig, dass leerstehende Wohnungen auf den Markt kommen. Um das zu erreichen, werden verschiedene Ideen geprüft. Eine davon ist die Leerstandsabgabe. Wir haben jedoch Zweifel, ob diese sinnvoll und zielführend ist, da sie gemäß einem Urteil des VfGH keine Lenkungswirkung haben darf.” Ein Jahr später waren die Bedenken bezüglich Verfassungsrmäßigkeit scheinbar vergessen und die Leerstandsabgabe wurde beschlossen. Seit Anfang 2024 dürfen die Vorarlberger Kommunen entscheiden, ob sie die Leerstandsabgabe einheben. Mittlerweile haben sich bereits fast 50 Gemeinden dazu entschieden.
Trugschluss Mobilisierung
Die Grünen Vorarlberg und die SPÖ waren damals bei der Befragung und sind heute noch der Meinung, die Leerstandsabgabe wäre das adäquate Mittel, um Wohnraum dem Markt zuzuführen. Ein wichtiges Instrument, um Wohnen leistbar zu machen. Die SPÖ ist der Meinung, dass der Mittelstand darunter nicht leiden würde und lediglich Investoren zur Kasse gebeten würden. Zwei Trugschlüsse. Denn wie bereits oben erwähnt, darf diese Abgabe keine Lenkungswirkung haben, sonst wäre die Leerstandsabgabe nicht verfassungskonform (siehe auch Interview S. 6-7 mit em. o. Univ.-Prof. Dr. Karl Weber). Es könnte also Einspruch gegen die Abgabe erhoben werden. Und: Entgegen der Meinung der SPÖ leiden die Investoren am wenigsten an einer solchen Abgabe. Dazu ist sie nämlich wiederum zu niedrig. Die Leidtragenden werden jene privaten Eigentümer sein, die gute Gründe zur Nicht-Vermietung haben, denen jedoch kein Gehör geschenkt wird und jetzt noch mit einer weiteren Pflichtabgabe belästigt werden (siehe auch Interview S. 6-7 mit em. o. Univ.-Prof. Dr. Karl Weber). Auf den Punkt gebracht: Die Leerstandsabgabe darf keine Lenkungswirkung zur Mobilisierung von Leerstand haben und ist somit in dieser Form ein rein populistischer Etikettenschwindel, eine zusätzliche Einkommensquelle für die Kommunen und eine weitere Belastung für die Eigentümer.
Ausnahmen
Die VEV, allen voran VEV-Präsident MMag. Dr. Markus Hagen, haben von vornherein ihre Position zu einer Leerstandsabgabe deutlich gemacht. Zum damaligen Gesetzesentwurf brachte die VEV zudem ein umfassendes Dokument ein, das Mängel insbesondere bei den Ausnahmebestimmungen für die Leerstandsabgabe aufzeigte. Über zehn Ausnahmen, die es in anderen Bundesländern wie zum Beispiel Tirol gibt, waren im ursprünglichen Vorarlberger Entwurf nicht vorgesehen. Darauf macht die VEV mit Vehemenz aufmerksam. Die final festgelegten Ausnahmen sind nun breiter, aber dennoch nicht breit genug aufgesetzt. Ein paar wichtige Ausnahmen (nicht vollständig) hier im Überblick:
- Eine bisher als Hauptwohnsitz verwendete Wohnung, die aufgrund der Betreuung der wohnungsinnehabenden Person in einer stationären Einrichtung oder aus vergleichbaren Gründen von dieser nicht mehr als Hauptwohnsitz benutzt werden kann.
- Eine Wohnung in einem Wohnhaus mit zwei Wohnungen, sofern der Eigentümer oder die Eigentümerin des Wohnhauses in der anderen Wohnung den Hauptwohnsitz hat; dies gilt nicht, wenn die Wohnung beständig Dritten zur Nutzung überlassen wird.
- Wohnungen, die aufgrund ihres Zustandes den Erfordernissen der Sicherheit und Gesundheit nicht entsprechen und deren Instandsetzung wirtschaftlich nicht zumutbar ist.
- Wohnung wird „Sicher Vermieten“ übergeben (angeregt durch die VEV aufgenommen ins Gesetz)
Was keine Ausnahme darstellt, sind sogenannte Vorsorgewohnungen für Kinder oder Enkel. Um eine mögliche Leerstandsabgabe eventuell noch abzuwehren, muss nachgewiesen werden, dass im jeweiligen Fall eine Ausnahme vorliegt. Jedoch, kann im Einzelfall auch eine Glaubhaftmachung ausreichend sein.
Harter Fall
Worauf em. o. Univ.-Prof. Dr. Karl Weber im Interview auch eingeht, ist die Problematik der tatsächlichen Leerstandserhebung. Die Kommunen in Vorarlberg, die bereits die Abgabe eingeführt haben, räumen die Komplexität der Sache ein. Wenn der Aufwand zur Erhebung des Leerstandes zu hoch wird, es und dafür evtl. zusätzliches Personal in den Gemeinden benötigt wird, wie sinnvoll ist dann diese Abgabe? Dann erfüllt sie nicht einmal mehr die Funktion des kleinen Kassenfüllers in den Kommunen. Von Wohnraummobilisierung kann keineswegs mehr die Rede sein.
Härtefälle
Die einzuhebende Abgabe betrifft Wohnungen und Einfamilienhäuser und kann erhoben werden, wenn nicht länger als 26 Wochen pro Kalenderjahr die Meldung eines Hauptwohnsitzes vorliegt und keine gesetzliche Ausnahme vorliegt. Die Höhe der Abgabe wird in der jeweiligen Kommune durch die Gemeindevertretung mittels Verordnung festgelegt. Aktuell gilt der Höchstbetrag von € 2.775 pro Jahr.
Was für manche nur ein Taschengeld ist, kann für andere eine finanzielle Belastung sein. Wäre die Belastung so groß, dass sich die Eigentümer durch die Abgabe gezwungen sähen zu vermieten oder letztlich auch das Objekt zu verkaufen, könnte ein Härtefall vorliegen. Hier – im möglichen Härtefall – macht die VEV seinen Mitgliedern das Angebot, sich direkt an sie zu wenden und bietet rechtliche Unterstützung an.
Keine Antwort
Die Leerstandsabgabe darf keine Lenkungswirkung haben, sonst könnte sie verfassungswidrig sein. Zur Mobilisierung von Wohnraum ist sie damit untauglich. Als Einnahmequelle für die Gemeinden ist sie ebenso untauglich, da die Datenerhebung und der administrative Aufwand dermaßen komplex sind. Die Frage: Warum Leerstandsabgabe, bleibt auch jetzt, nach ihrer Einführung, ungeklärt.