Die Krux mit der Sanierungsförderung
Leitartikel Haus & Grund Nr. 1/Jänner-Februar 2021:
Gebäudesanierung ist etwas Gutes. Nicht nur, weil saniertem Wohnraum mehr Charme zugeschrieben wird, sondern, weil eine Großzahl an Sanierungen viele positive Begleiteffekte wie Dekarbonisierung des Bestandes, Schaffung von nachverdichtetem Wohnraum, weniger Bodenverbrauch sowie Erhaltung der Siedlungsränder mit sich bringen könnte. Geförderte Sanierungen könnten sogar erhebliche steuerliche Vorteile bringen – nur das ist kaum bekannt. Haus & Grund beleuchtet das Thema.
Genaue Zahlen über durchgeführte Sanierungen gibt es nicht. Denn – und vielleicht könnte darin schon das Grundproblem liegen – es gibt keine einheitliche Definition, was eine Gebäudesanierung tatsächlich ist beziehungsweise welche konkreten baulichen Maßnahmen im Allgemeinen als Sanierung gelten. Dies bestätigt auch Karl Ladenhauf, Amt der Vorarlberger Landesregierung, Abteilung Wohnbauförderung. „Die Wohnbauabteilungen der neun Bundesländern haben im Frühling 2020 begonnen, darüber zu diskutieren, ob es gelingen könnte österreichweit eine einheitliche Definition festzulegen und, ob das überhaupt gewünscht oder sinnvoll ist. Aber: zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine klare Definition, was eine Sanierung ist.“
Die Zahlen sinken
Wo keine klare Begriffsdefinition, da können auch keine klaren Aussagen über Zahlen gemacht werden. Dennoch wird mit Erhebungen versucht, die Sanierungsquote greifbar zu machen. Das Institut für Immobilien Bauen und Wohnen (IIBW) macht deutlich, dass sich seit 2010 die geförderten Sanierungszahlen von damals 120.000 Wohneinheiten fast halbiert haben – auch unter Berücksichtigung der nicht geförderten Sanierungen werden die Zahlen nicht schöner. Die österreichweite Sanierungsfördersumme lag 2010 noch bei 850 Millionen Euro, 2017 nur noch bei 520 – Tendenz fallend. In Vorarlberg befinden sie die Zahlen ebenso im Sinken: Laut der Abteilung Wohnbauförderung wurden 2018 noch 1.521 und 2020 nur noch 1.185 Sanierungen gefördert. Das von der Politik anvisierte Ziel einer jährlichen Sanierungsrate von mindestens 2 Prozent wird so nicht erreicht. Aktuell liegt die Rate laut IIBW etwas über einem Prozent.
Die Probleme der Förderung
Das Land Vorarlberg betont, dass die Voraussetzungen für eine Sanierungsförderung sehr übersichtlich seien. Das Haus müsse mindestens 20 Jahre alt sein und die geplanten Maßnahmen müssten zu einer energietechnischen Verbesserung führen. Das klingt zunächst einfach. Die Förderung teilt sich in eine Basisförderung und Bonuszuschläge ein. Wobei schon die Richtlinien für die Basisförderung strenger sind als das Baugesetz vorschreiben würde. Das heißt, wer sich dazu entschließt, zu sanieren und eine Förderung beantragt, muss mehr leisten/investieren als üblich wäre – und das schon bei der Basisförderung. Für die Bonuszuschläge muss noch einiges mehr gemacht werden. Außerdem muss genau auf die Details in den Richtlinien geachtet werden, denn nicht jede Sanierung hat den Anspruch auf eine Förderung. Wird zum Beispiel ein Haus kernsaniert, fällt die Sanierungsförderung weg – da dies (in Vorarlberg) als Neubau gewertet wird. Zudem gibt es auch Vorgaben in der förderbaren Größe. Ein Beispiel aus der Wohnhaussanierungsrichtlinie 2020/21 des Land Vorarlberg: „Werden im Rahmen einer thermischen Sanierung eines Wohnhauses gleichzeitig durch Zubau neue Wohnungen errichtet, deren Gesamtnutzfläche gemeinsam maximal 100 Quadratmeter betragen, können diese zusätzlichen Wohnungen im Rahmen der Sanierung gefördert werden.“ Auf den Punkt gebracht: Sanieren mit Förderung kostet mehr und die Richtlinien sind in Vorarlberg sehr eng gefasst. Karl Ladenhauf sieht darin ein mögliches Kriterium für sinkende Sanierungsförderungsanträge. „Die Bankzinsen sind niedrig. Mit Sicherheit sagen viele: Diesen Zusatzaufwand, der für die Förderung betrieben werden müsste, tu ich mir nicht an. Der Förderanreiz ist nicht so groß, dass er gegen die Bankzinsen eine Chance hätte.“
Die Sache mit der Steuer
Durch attraktivere Steuermodelle könnte Sanieren deutlich reizvoller werden. Wolfgang Amman, Karin Fuhrmann und Walter Stingl, Institut für Immobilien Bauen und Wohnen GmbH, beleuchten dieses Thema in der Studie „Steuerliche Maßnahmen zur Dekarbonisierung des Wohnungssektors“ (2019). Die drei Studienautoren zeigen dabei Lösungsansätze auf, die in kurzer Zeit umgesetzt werden könnten. Aber: Was, wenn das Sanieren bereits steuerlich attraktiver ist, als man glaubt – oder besser gesagt: als bekannt ist? Martin Walter, MW Steuerberatung, erklärt dazu: „Ausschlaggebend ist hier Paragraph 28 Absatz 3 Ziffer 2 des Einkommenssteuergesetzes (EStG).“ Dort heißt es konkret: „Folgende Aufwendungen, soweit sie Herstellungsaufwand darstellen, sind über Antrag gleichmäßig auf fünfzehn Jahre verteilt abzusetzen: […] 2. Aufwendungen für Sanierungsmaßnahmen, wenn die Zusage für eine Förderung nach dem Wohnhaussanierungsgesetz, dem Startwohnungsgesetz oder den landesgesetzlichen Vorschriften über die Förderung der Wohnhaussanierung vorliegt.“ Demnach sind Herstellungsaufwendungen, für die eine Zusage einer Landes-Wohnhaussanierungsförderung gegeben wurde, auf 15 Jahre und nicht 67 Jahre abzusetzen. Dies bringt einen großen steuerlichen Vorteil und macht die Sanierungsförderung für potenzielle Fördernehmer interessanter. Walter betont hier: „Alleine die Zusage einer Förderung – unabhängig davon, ob sie dann in Anspruch genommen wird – ist ausreichend, damit diese Regelung zur Anwendung kommen kann. Der Steuerpflichtige hat dadurch einen riesigen, positiven steuerlichen Effekt. Nachgefragt beim Finanzamt, wurde mir bestätigt, dass diese Regelung kaum in Anspruch genommen wird.“
Eine einfache Zusage
In einem ersten Schritt auf dem Weg zur gezielten Steigerung der Sanierungsrate, müssten also nicht einmal neue Steuermodelle herangezogen werden, sondern im Grunde müsste zum einen nur stärker publik gemacht werden, dass es diese obengenannte steuerliche Möglichkeit gibt. Und zum anderen, müsste die Frage gestellt werden: Wie kommen möglichst viele Haussanierer zumindest zu einer Förderzusage? Die auf der Hand liegende Antwort? Das Land müsste die Richtlinien anpassen. Denn Wohnbauförderung und somit auch Sanierungsförderung ist Ländersache. Walter nennt hier als Beispiel Wien. „Dort ist es möglich, ganze Gebäude fast neu zu bauen und dennoch werden sie als Sanierung gelistet, sind förderfähig und können diesen erwähnten Steuervorteil in Anspruch nehmen. In Vorarlberg wäre dies aktuell nicht möglich. Da die Richtlinien bei uns deutlich enger gefasst sind.“ Ob das offenere Wiener-Modell das erstrebenswertere ist, soll dahingestellt bleiben. Wenn ein De-Facto-Neubau als Sanierung akzeptiert wird, wird das Grundprinzip einer Sanierung ad absurdum geführt. Aber das Vorarlberger Sanierungsförderungsmodell beweist in der aktuellen Form, dass es nicht attraktiv genug ist und als Lenkungsmittel zur Steigerung der Sanierungsquote nicht greift.
Wien ist nicht schuld
Im Zusammenhang mit der Attraktivierung von Sanierungen wird häufig das Problem mit dem Mietrechtsgesetz (MRG) genannt. Dieses macht Vermietungen von saniertem Wohnraum in vielen Fällen nicht rentabel und somit wird oft erst gar nicht saniert. Die gesetzlichen Grundlagen dafür werden in Wien gemacht, der Bund ist zuständig. Von Seiten der Vorarlberger Landesregierung werden seit Jahren klare Wünsche nach einer Verländerung des MRG nach Wien gesendet. Viel mehr kann anscheinend nicht getan werden. Bei der Sanierungsförderung ist die Sachlage anders. Hier könnte das Land Vorarlberg selbst aktiv werden und die Bedingungen verbessern.
Etappenziel 2020 verfehlt
2012 wurde im Maßnahmenplan der Energieautonomie Vorarlberg als Etappenziel eine Sanierungsrate von 3 Prozent bis 2020 festgelegt. So heißt es dort: „Erhöhung der Sanierungsrate auf 3 Prozent durch kontinuierliches und auf den Energiebedarf für Betrieb und Errichtung ausgerichtetes Förderprogramm. Verlagerung des Förderschwerpunktes vom Neubau zu Sanierungen unter Berücksichtigung der Leistbarkeit.“ Wie zu Beginn erwähnt, liegt der angenommene Wert bei leicht über einem Prozent – das Etappenziel wurde klar verfehlt. 2021 könnte genutzt werden, um die bisherige Vorgehensweise zu hinterfragen, zu überdenken, die Sanierungsrichtlinien anzupassen und die steuerlichen Vorteile stärker in der Öffentlichkeit zu verbreiten.