Der Vorarlberger Immobilienmarkt trotzt Corona (noch)
Leitartikel Haus & Grund Nr. 5/September - Oktober 2020:
Am 16. März 2020 hieß es in ganz Österreich: Lockdown. Von heute auf morgen kam es zum angeordneten Stillstand. Das Leben – vom privaten Bereich bis in den Kultursektor – wurde aus den gewohnten Bahnen geworfen. Überall herrscht die Krise. Der Immobilienmarkt im Allgemeinen und auch der Vorarlberger scheinen davon jedoch relativ unbeeindruckt.
Ganz spurlos ging der Lockdown an der Immobilienbranche nicht vorbei. Denn während die Verbücherungen im Jänner in die Höhe schossen und auch im sonst schwächeren Monat Februar unerwartet gut waren, kam es mit dem Lockdown im März zu einer kurzen Zwangspause. Dies zeigen auch die Zahlen des Remax-Immospiegels für das erste Halbjahr 2020. Im März kam es im Vergleich zum Vorjahr zu einem Verbücherungseinbruch von -4,6 Prozent. Reinhard Götze, Geschäftsführer Remax Immowest, bestätigt das: „Im März, das war wie eine Schockstarre. Für ein paar Wochen lief gar nichts. Aber unter Einhaltung der Corona-Regeln ist das Geschäft bei uns dann doch wieder rasch angelaufen.“
Bessere Zahlen als 2019
In Vorarlberg konnten im ersten Halbjahr – also bis 30. Juni 2020 – 3.461 Eigentumsübertragungen in den Grundbüchern notiert werden. Das übertrifft die Zahlen von 2019 um 10,4 Prozent. Spitzenreiter ist dabei der Bezirk Bregenz. Die Verbücherungen stiegen hier um 18 Prozent zum Vorjahr an. Zum ersten Mal wurden dort über 400 Millionen Euro transferiert. Grund dafür ist der Verkauf eines Betriebsgebäude-Komplexes, der mit über 72 Millionen Euro zu Buche schlägt. Aber auch die Bezirke Dornbirn und Bludenz haben mit 722 und 599 Verbücherungen ordentlich zum Vorjahr zugelegt. Alleine der Bezirk Feldkirch bleibt mit einem Minus von 8,2 Prozent, 820 Übertragungen, hinter den Werten von 2019. Die Welt steckt in der Krise und der Immobilienmarkt floriert. Woran liegt das? Die Zahlen lügen nicht, aber sie können trügen. Denn auch wenn die Verkaufszahlen für das erste Halbjahr sehr positiv aussehen, verweist der Remax Immospiegel auch auf die Rückgänge. -6,4 Prozent, in den drei wichtigsten Objektgruppen – Eigentumswohnungen, Einfamilienhäuser und Grundstücke. Zugelegt hätten hingegen Hausanteilsverkäufe sowie kleinste Transaktionen wie zum Beispiel Parkplätze. Wie sich die Zahlen weiterentwickeln, hängt laut Remax-Experten zu einem Großteil von den Banken und der Kreditvergabe an Privatpersonen ab.
Preise bleiben vorerst stabil
Europaweit sind moderate Rückgänge bei Miet- und Kaufpreisen zu beobachten. Wobei sich Einfamilienhäuser als preisstabiler erweisen als Wohnungen. In einer aktuellen Studie von Remax Europe zum Thema Auswirkungen der Pandemie auf den Immobilienmarkt werden in Österreich Einbrüche bei den Kaufpreisen von Eigentumswohnungen von -2,9 Prozent erwartet. Bei Einfamilienhäusern wird lediglich von einem Minus von 2,4 Prozent ausgegangen. Tatsächlich unbeeinflusst scheinen die Grundstückspreise in Österreich. Hier wird sogar ein kleines Plus von 0,4 Prozent notiert. Wie sieht aber die Situation in Vorarlberg aus. Reinhard Götze dazu: „Bisher konnte ich bei den Preisen keine Einbrüche beobachten. Im Gegenteil. Es geht teilweise in die Höhe. Wer verkauft, will nach wie vor möglichst viel Gewinn machen. Wo sich vielleicht etwas verändert, ist bei überteuerten, gebrauchten Wohnungen. Hier sind die Käufer nicht mehr bereit so viel zu bezahlen.“
Jetzt Immobilie verkaufen
Macht es Sinn, zu Corona-Zeiten eine Immobilie zu verkaufen? Wer jetzt mit diesem Gedanken spielt, Grundstück, Wohnung oder Haus zu verkaufen, der hinterfragt mit Sicherheit den Zeitpunkt. Die Preise im Bereich des Wohnimmobilienmarktes haben sich aber bisher, wie oben erwähnt, als recht krisenfest erwiesen. Anders gesagt: Wenn die Lebensumstände danach verlangen, dass die Immobilie verkauft werden soll, dann ist jetzt kein schlechterer Zeitpunkt als sonst. Denn die Nachfrage am Markt ist nach wie vor sehr groß. Aussitzen und warten ist wahrscheinlich nicht die zu präferierende Strategie. Götze zum Thema Nachfrage: „Die Nachfrage ist ungebrochen. Teilweise ist sie durch Corona noch gestiegen. Wir haben einige Kunden, die aufgrund von Lockdown und Homeoffice sagten, wir brauchen jetzt mehr Platz. Teilweise haben wir an einem Tag 20 Besichtigungen für ein Objekt. Solange Immobilien zum Verkauf stehen, werden sie auch gekauft.“ Was der Immobilienmakler beobachtet, ist, dass aktuell die Verkäufer zögerlicher sind. „Verkauft wird im Fall einer Verlassenschaft, einer Scheidung oder bei Streitigkeiten. Ansonsten höre ich ‘was soll ich verkaufen, was soll ich mit dem vielen Geld, mit der Immobilie ist es weiterhin sicherer angelegt‘.“
Wie geht es weiter am Markt?
Genaue Prognosen traut sich keiner zu machen. Klar ist: die weitere Entwicklung des Immobilienmarktes hängt jetzt von der weiteren Entwicklung beziehungsweise vom Umgang mit Corona ab. Reinhard Götze bringt es auf den Punkt „Das Problem ist, wir wissen nicht was jetzt im Winter auf uns zu kommt. Es ist eine unsichere Situation. Wir sind schon durch viele Krisen gegangen, aber die Unsicherheit war noch nie so groß.“ Hält die Corona-Krise an, kommt es zu keiner Entspannung am Arbeitsmarkt oder gibt es gar weitere Lockdowns? Dann wird das auch negative Auswirkungen auf den Immobilienmarkt haben. In Vorarlberg waren die Zahlen der Arbeitslosen im September 2020 um 32,8 Prozent höher als im Vorjahr. Das sind über 12.000 Menschen. Rund 25.000 befinden sich noch in Kurzarbeit. Wenn sich diese Situation verschlechtert oder über einen sehr langen Zeitraum so bleibt, dann gibt es vielleicht bald mehr Immobilien am Markt. Der Kreis der potenziellen Käufer könnte aber auch kleiner werden. Das wiederum könnte zu einer Senkung der Verbücherungszahlen führen. Aber: Die Branchenexperten verweisen auf die gute Wertbeständigkeit von Wohnimmobilien und hoffen, dass die Branche weiterhin mit nicht einmal einem blauen Auge durch Corona kommt.