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Unabhängiges Wohninstitut statt Enteignungsfantasien und Experimentalpolitik

Pressekonferenz der Vorarlberger Eigentümervereinigung vom 18. Mai 2017

Die Vorarlberger Eigentümervereinigung (VEV) möchte die Diskussion über das Thema Wohnen von der emotionalen Ebene lösen und Maßnahmenvorschläge auf einer breiten und objektiven Faktenbasis ermöglichen. Eine Herausforderung, die mit den aktuellen Rahmenbedingungen im Land nicht zu bewältigen ist. Die VEV schlägt daher die Schaffung eines „Kompetenzzentrums für Wohnen und Immobilien“ vor. 

Neue Steuern, eine weitere Verschärfung des Mietrechtsgesetzes (MRG), ein Universalmietrecht – und neuerdings gar Enteignungsfantasien: Die Umsetzung der Vorschläge, die in den vergangenen Monaten von unterschiedlichster Seite zum Thema „leistbares Wohnen“ vorgetragen wurden, würden den Vorarlberger Wohnungsmarkt weiter be-, statt entlasten, ist sich die Vorarlberger Eigentümervereinigung (VEV) sicher. Das zentrale Problem: Das Thema Wohnen wird von Emotionen und dem subjektiven Empfinden einzelner Interessensvertreter getrieben – eine solide Faktenbasis steht keiner oder den wenigsten Forderungen als Grundlage gegenüber. „In den vergangenen Monaten hat sich unter dem Deckmantel des ‚leistbaren Wohnens’ ein regelrechter Wettbewerb an destruktiven Ideen entfacht. Mit den de facto Enteignungsforderungen der Bürgermeister- und Architekteninitiative ‚vau hoch drei’ wurde der Zenit des Erträglichen nun aber überschritten“, betont VEV-Präsident RA Dr. Markus Hagen. „Auf Basis von reinen Annahmen Forderungen aufzustellen, die Eigentümerinnen und Eigentümer mit der Enteignungskeule bedrohen, ist schlicht verantwortungslos.“ Denn: Die Annahme von „vau hoch drei“, vornehmlich baulandhortende Großinvestoren seien dafür verantwortlich, dass der Druck auf den hiesigen Wohnungsmarkt steigt, basiert nicht etwa auf einer regionalen Studie, Zahlen der Statistik Austria oder der Auskunft der Raumplanungsabteilung – sondern schlicht auf der persönlichen Wahrnehmung von einzelnen Bürgermeistern und Architekten. Man nimmt hier bewusst in Kauf, Vorarlbergerinnen und Vorarlberger zu bestrafen, die über viele Jahre hinweg gespart haben, um ihren Nachkommen die Errichtung eines Eigenheims zu ermöglichen. „Das Grundbedürfnis Wohnen Emotionen und Experimenten der Politik zu überlassen, ist brandgefährlich – und hat bereits in der Vergangenheit nie zu den gewünschten Ergebnissen geführt“, betont Hagen. Es sei an der Zeit dem Thema Wohnen jenen Stellenwert einzuräumen, den es in unserer Gesellschaft verdient habe: „Wir fordern daher die Schaffung eines übergeordneten und unabhängigen Kompetenzzentrums für Wohnen und Immobilien“, so der VEV-Präsident.

Keine einfachen Lösungen für komplexen Wohnungsmarkt

Der öffentliche Druck auf die Politik, den Wohn- und Immobilienmarkt zu entlasten, steigt kontinuierlich. Dabei sind die Gründe für die Belastungen mannigfaltig. „Neben tatsächlich wahrzunehmenden Preissteigerungen sorgen vor allem gesetzliche Rahmenbedingungen – Stichwort Steuerrecht, Wohnrecht, Raumplanung u.ä. – sowie die internationale Finanzlage für eine Verteuerung“, sagt Hagen. Eine Versachlichung der Diskussion über das Grundbedürfnis Wohnen sei daher unabdingbar – und könne nur von einem unabhängigen Institut oder Kompetenzzentrum, im Rahmen dessen die Fäden zusammenlaufen, gewährleistet werden. Ein Umstand, den die Landesverwaltung aktuell nicht vermag abzudecken. Denn: „Die inhaltliche Zersplitterung des Themas Wohnen in verschiedene Fachabteilungen macht das unmöglich. Was fehlt ist eine notwendige Gesamtschau des Immobilienmarktes“, erklärt der VEV-Präsident.

Mehr als andere Themen ist Wohnen eine Querschnittsmaterie. Sehr viele unterschiedliche Faktoren nehmen Einfluss – und sind in Summe von einzelnen Abteilungen der Landesverwaltung nicht greifbar. Themen wie Immobilienertragsteuer, Grundsteuer, Gebührenerhöhungen (Müll, Kanal etc), Raumplanung, Grundverkehr, Wohnbeihilfe und Wohnbauförderung oder Baustandard, um wenige Beispiele hervorzuheben, nehmen alleine auf Landesebene Einfluss auf das Thema Wohnen. Auf Bundesebene folgen inhaltliche Brocken wie beispielsweise das MRG, Steuern sowie (fehlende) Investitionsanreize. „Herausfordernde gesellschaftliche Entwicklungen wie beispielsweise die massive Zunahme von Single-Haushalten bei gleichzeitig steigendem Wohnraumbedarf sind in dieser Liste noch gar nicht berücksichtigt“, macht Hagen deutlich. Das heißt: Es ergeben sich Herausforderungen, die einzelne Abteilungen und auch die Politik nicht schultern können. „Es braucht Experten, die sich diesem Thema widmen sowie seriöse Fakten und qualifizierte Analysen zur Verfügung stellen“, betont der VEV-Präsident. Bestes Beispiel: Die Leerstandsthematik.

„Sicher Vermieten“ benötigt koordinierende Hand

Das von der VEV initiierte Projekt „Sicher Vermieten“, das die Aktivierung leerstehender Wohnungen zum Ziel hat, könne nur dann ein Erfolgsmodell werden, wenn es in der Aufarbeitung nicht dem Zufall überlassen wird. „Es braucht eine inhaltliche Verantwortung und eine koordinierende Stelle“, so Hagen. Es sei zu wenig, ein so wichtiges Projekt einer Mitarbeiterin bzw. einem Mitarbeiter in der Gemeinde umzuhängen – es brauche vielmehr jemanden, die oder der das Projekt vorantreibt. Ein Beispiel, wo ein Kompetenzzentrum für Wohnen und Immobilien wichtige Hilfestellung leisten könnte. Denn: Bis heute gibt es kein Datenmaterial zum Thema Leerstand in Vorarlberg. Schätzungen differieren, je nach politischer Schlagrichtung, mehr als 100 Prozent. Vermeintlich nachhaltige wohnpolitische Maßnahmen werden derzeit auf einer solchen Faktenbasis aufgebaut.

Bündelung der Kompetenz im Wohnbereich

Ein Kompetenzzentrum für Wohnen und Immobilien könnte mit der organisatorischen und inhaltlichen Zusammenführung und Koordination der zahlreichen fach- und landesverwaltungsrechtlichen Bereiche einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Wohnsituation leisten. Das Potenzial an Fachwissen ist groß: „Jeder Bereich kennt für sich die betreffenden Ursachen, Lösungsbedürfnisse und auch die einzelnen Detaillösungen. Ohne die Koordination und Bündelung dieser Kräfte können die einzelnen Bereiche aber nichts bewirken“, macht Hagen deutlich. Eine fachübergreifende Institution mit der Aufgabe, das Wissen aus den einzelnen Fachbereichen zusammenzuführen, zu bündeln und daraus neue Erkenntnisse und Lösungswege zu schaffen, sei Gebot der Stunde. „Die Aufrechterhaltung der Ist-Situation bedeutet Stillstand und Scheitern in der Immobilien- und Wohnpolitik. Die Fortführung der Experimentalpolitik wird jedenfalls nicht zur Problemlösung beitragen“, so der VEV-Präsident.

Breitgefächerter Themenmix erfordert Expertenwissen

Ein Kompetenzzentrum für Wohnen und Immobilien wäre aus Sicht der VEV neben der Erforschung des Immobilien- und Wohnungsmarktes mit Aufgaben wie der Erarbeitung von Lösungsstrategien betraut, ganz konkret jedoch auch für die zentrale Betreuung und Koordination des Projektes ‚Sicher Vermieten‘, zuständig. Die Expertinnen und Experten müssten sich den Preistreibern beim Wohnen genauso wie den Anreizen, Wohnkosten zu senken, widmen. Das Institut sollte die Leerstandsthematik mit Zahlen untermauern und Gründe der Eigentümerinnen und Eigentümer hinterfragen, warum Wohnungen leer gelassen werden. Ein Kompetenzzentrum für Wohnen und Immobilien muss sich natürlich auch Fragen nach den Anreizen für eine verdichtete Bauweise oder auch einer Nachverdichtung, wie auch der Raumplanung widmen – und darf auch vor der Treffsicherheit des sozialen Wohnbaus nicht Halt machen. 

Zentrale Frage muss auch sein, ob und wie sich die Millionen der Wohnbauförderung auf den Immobilienmarkt auswirken. Werden und wurden die Förderziele überhaupt erreicht (Evaluierung)? Oder verpuffen die Förderungen durch Mitnahmeeffekte?

Ein Kompetenzzentrum für Wohnen und Immobilien muss sich der ganz zentralen Aufgabe widmen, den Wohn- und Immobilienmarkt, insbesondere aber auch deren Teilnehmerinnen und Teilnehmer – darunter Investoren, Vermieterinnen und Vermieter, Mieterinnen und Mieter und auch Eigentümerinnen und Eigentümer – in ihrer ganzheitlichen Komplexität und ihrem jeweiligen Zusammenspiel zu erforschen und zu verstehen. Es müsste Grundlagenforschung betreiben, um die notwendigen Daten, Fakten und Zahlen zu erarbeiten, auf denen intelligente und nachhaltige Lösungen und politische Entscheidungen aufgebaut werden könnten. „Wenn wir nicht verstehen, wie der Vorarlberger Immobilienmarkt funktioniert, können wir keine zielführenden Maßnahmen setzten“, betont Hagen.

Um der Gefahr politisch getrieben zu werden bestmöglich entgegenzuwirken, müssten die Träger einer entsprechenden Institution breit aufgestellt – und außerhalb des öffentlichen Verwaltungsbereiches angesiedelt sein. Neben der Federführung des Landes Vorarlberg wären die Wirtschafts- und Arbeiterkammer, die Vogewosi als auch die Vorarlberger Eigentümervereinigung und die Mietervereinigung denkbar, um Beispiele zu nennen.

VEV sucht Gespräche mit Politik und potenziellen Partnern

Die VEV wird nun die Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern unterschiedlicher Institutionen suchen. „Wir werden uns intensiv darum bemühen, die Politik von der Notwendigkeit eines solchen Instituts zu überzeugen – und übernehmen auch gerne eine koordinierende Funktion. Wir haben bereits in der Vergangenheit bewiesen, dass die VEV nicht nur einfach Forderungen aufstellt, sondern sich proaktiv um die Umsetzung bemüht“, betont VEV-Präsident Hagen. Oder anders gesagt: Die VEV versteckt nicht hinter einer Forderung, sondern übernimmt gerne Verantwortung – und unterstützen mit Know-how und der Kompetenz der Geschäftsstelle bei der Umsetzung. „Wir sind überzeugt davon, dass eine solche Institution wesentliche Verbesserungen am Wohnungs- und Immobilienmarkt bewirken könnte – unabhängig von Emotionen und subjektivem Empfinden, sondern schlicht auf objektiv nachvollziehbaren und unaufgeregten Fakten“, so Hagen abschließend.

Facts:

Arbeitstitel Institut: Kompetenzzentrum für Wohnen und Immobilien

Mögliche Träger: Land Vorarlberg, Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer, Mietervereinigung, Vorarlberger Eigentümervereinigung

Mögliche Aufgaben: Erforschen des Immobilien- und Wohnungsmarktes in Vorarlberg, Erarbeiten von Lösungsstrategien für mehr Leistbarkeit, Koordination der Wohnagenden wie beispielsweise „Sicher Vermieten“

Mögliche Themen: Preistreiber beim Wohnen, Anreize für die Wohnkosten-Senkung, Leerstand, verdichtete Bauweise, Raumplanung, Treffsicherheit sozialer Wohnbau, u.ä

 

Dr. Markus Hagen, Präsident der Vorarlberger Eigentümervereinigung